Erinnerungen
Leben und Arbeiten, wo Honig und Milch fließen
Erinnerungswerkstatt
Liebe Rentnerinnen und Rentner
Wir Rentner und Rentnerinnen haben ein langes und arbeitsreiches Berufsleben hinter uns. Wir alle haben Spuren hinterlassen, Wir haben an wichtigen Schalthebeln und an den unterschiedlichsten Arbeitsplätzen unsere Omira - mehr als vielfach gewürdigt - geprägt und damit zu einem großen und soliden Unternehmen wesentlich beigetragen.
Viele von uns könnten vieles erzählen.
Doch wir werden älter, und manche Erinnerungen werden leider mit ins Grab mitgenommen.
Man könnte heute allerdings schon fragen, was und wen interessiert das schon, wenn wir die Entwicklung unseres Unternehmens verfolgen.
Gerade deshalb ist die Erinnerung an diese unsere Zeit umso wichtiger und von besonderem Interesse.
Wie bereits bei unserer Weihnachtsfeier vorgetragen, darf ich euch ganz besonders ermuntern, in euren Erinnerungen zu stöbern. Es muss nicht ein langer und ausgefeilter Bericht sein. In den letzten beiden Jahren wurden bei unseren Zusammenkünften immer wieder wahre Goldstücke an Erlebnissen, an Erfahrunge, viel Interessantes und Wissenswertes und auch so manche Anekdoten ausgetauscht. Das alles soll und darf nicht so einfach verloren gehen.
Auch Bilder können viel erzählen. Alles zusammen , gäbe schon ein buntes Bild unserer Rentnergeneration, die gerade jetzt Gefahr läuft, vergessen zu werden.
Irgendwie wollen wir den Anfang wagen.
So darf ich einen Anfang machen.
Im Außendienst war ich immer hautnah an der Lieferantenfront. In dieser Zeit hat sich die OMIRA stetig ausgeweitet. Und stets war ich in dieser Ausweitung unseres Liefergebietes mitten drin. Und darüber darf ich nun in meinem ersten Bericht, den ich bereits meinem Ausscheiden im Jahr 2011 aufgeschrieben habe, beginnen.
Erinnerungen aus einem Arbeitsleben
Norbert Wilibald - 1976 - 2011 - 35 Jahre OMIRA
Bericht 1 - OMIRA nimmt eine große Entwicklung
[aufgezeichnet im Jahre 2011 ]
OMIRA im Jahre 1976
Die OMIRA zählte 1976 rund 5.000 Milchlieferanten mit einer Anlieferungsmenge von knapp 240 Mio. kg Milch und rund 50.000 kg pro Betrieb.
Die OMIRA umfasste 240 Liefergruppen, ein Zweigbetrieb in Kisslegg und eine Milchsammelstelle in Osterhofen. Die vielen anderen Zweigbetriebe waren gerade stillgelegt und die Direkterfassung flächendeckend umgesetzt worden. Die letzte Umstellung erfolgte in Aichstetten.
Die 1. Württembergische Käsereigenossenschaft hatte gerade ihre Produktion von Weichkäse eingestellt.
15 Fuhrunternehmer mit rund 20 Fahrzeugen waren im Einsatz. Dazu kamen noch etwa 12 OMIRA-Sammelwagen. Die Erfassung einer Tour mit 30 bis 100 Bauern mit 14.000 kg Milch dauerte im Schnitt 3 Stunden.
Die Kleinkäsereien Eberle und Bauhofer waren mehr als nur genügsame Nachbarn, und die damals „Vereinigten Käsereien Dürren“ noch sakrosankt und schier unantastbar.
OMIRA 2011 einschließlich Rottweil
Heute, das heißt 2011, sind es 2.500 Milchlieferanten mit einer Anlieferungsmenge von 600 Mio. kg Milch. das sind rund 240.000 kg pro Betrieb, also fast das 5-Fache.
Heute erfassen 20 Fuhrunternehmer mit rund 30 Fahrzeugen die Milch. Dazu kommen zusätzlich noch etwa 4 OMIRA-Sammelfahrzeuge. Die Dauer einer Erfassungsstrecke ist deutlich niedriger. Aber die Erfassungsmenge pro Fahrzeug hat sich seither nahezu verdoppelt.
Aufbruch nach Westen - Milchwerk Sigmaringen
1979 – Das Milchwerk in Sigmaringen wurde geschlossen und die Milcherzeuger sollten nach Balingen verpflichtet werden. Aber die wenigsten wollten nach Balingen. Nach langen und zähen Verhandlungen kommt der hohenzollerische Bereich Mengen, Messkirch, Pfullendorf zur OMIRA.
Die genaue Planung und die noch genauere Einhaltung der Milcherfassung waren ein Muss.
Dr. Karl Nuber wollte am Neujahrsmorgen 1979 in aller Frühe zusammen mit Alfons Fischer mit dabei sein und von einer Tour auf die andere pendeln können. Wartezeiten gab es für ihn nicht. Umso mehr waren die Bauern von seinem Besuch positiv überrascht und fühlten sich außerordentlich geehrt.
An diesem bitterkalten Neujahrs-Morgen flossen so manche Schnäpse, wie viele, das wissen die Betroffenen selbst nicht mehr genau.
Und schon regte sich im Westen Unbehagen. Vieles, fast alles war anders, so auch bei den landwirtschaftlichen Verbänden. Alle standen stramm wie eine Mauer, wenn es galt, der schwäbischen Übermacht zu trotzen und ihrem einnehmenden Wesen standzuhalten. Dr. Seeberger vom Landwirtschaftsamt Überlingen, Dr. Fischbach vom Zuchtverband, Dr. Selbherr vom Veterinäramt und insbesondere ein grobschlächtiger Bauernpräsident Arthur Raither aus Neufrach. Manches Vokabular erinnerte an tiefstes Mittelalter. „Bäuerliche Leibeigenschaft“, „Milchpreise der OMIRA sind Kampfpreise“, tönte es aus den Ämtern. Erst eindeutige Milchpreisvergleiche auf dem Amt in Überlingen und in der OMIRA und deutliche Ordnungsrufe aus dem Regierungspräsidium ließen diese Herren etwas ruhiger werden.
Es war nicht so sehr die Auseinandersetzung und das Bemühen um einen guten Milchpreis, es war ein Kulturkampf. „Lieber eine Ratte in der Küche, als ein Schwabe(nkäfer) im Hausgang“, dieser Spruch machte wieder die Runde, oder noch drastischer, es war ein Einigeln gegen die „Schwäbische Pest“.
Aber es gab auch andere Persönlichkeiten, Max Markgraf von Baden. Ich hatte als mitten im Linzgau geborener Badener kein Problem, eine Veranstaltung auch ohne besondere Einladung zu besuchen. Ich kannte ja einige, hatte eine ordentliche Vita, und viele erhofften sich durch die OMIRA eine bessere Zukunft und einen besseren Milchpreis. So konnte ich eigentlich immer sicher sein, zu bestehen.
Fast alle Hauptamtlichen, gleichermaßen aus Bauern- und Zuchtverbänden oder auch anderen Verbänden, versuchten mich immer wieder aus ihren Veranstaltungen hinauszukomplimentieren. In einem Fall wurde ich bei einer Fleckvieh-Zuchtversammlung vom Zuchtleiter Dr. Fischbach zum Gehen aufgefordert mit der Frage, von wem ich denn eine Einladung hätte? Ich hatte ihm darauf geantwortet, dass diese Einladung von ihm selbst unterschrieben sei.
Dieses Ausklammern der OMIRA konnte der Markgraf als Vorsitzender eben dieses Zuchtvereines Überlingen so gar nicht verstehen. Es ginge doch um den Milchpreis, und die Bauern sollten sich über solche Partner freuen, die einen guten Milchpreis zahlen könnten, und er bat mich dann unbedingt etwas zur Milch zu sagen - zum absoluten Missfallen der Verbandsverantwortlichen. Erhatte offenbar selbst als königlich Badische Hoheit nicht die richtige Sensibilität für die badisch-württembergische Problemzone. Immer wieder, wenn wir uns trafen, war dies sein erstes Gesprächsthema.
Zunächst waren es einzelne Orte.
Alfons A. aus Lipbach war der erste, der wechselte. Dann erkämpfte sich Leimbach mit einem Lieferboykott den Anschluss an die OMIRA. Buggensegel, Pfrungen, Wangen bei Ostrach und Andere waren weitere Meilensteine. „Der Daimler in der Garage, das sei der Mehrwert durch die OMIRA“.
Mit Max Karrer aus Homberg als Aufsichtsratsvorsitzender in Radolfzell ging es dann in die Entscheidung. Vor einem aber hatte er und auch viele andere Bauern Respekt. Karl K. aus Wittenhofen. Karl K. war Hauptvertreter des Milchwerkes Radolfzell im Bereich des Deggenhausertales. Er war äußerlich ein ruhiger Mensch, konservativ, verwurzelt und standfest. „An dem geht kein Weg vorbei“, hörte ich Herrn Karrer des Öfteren sagen. Weitläufig verwandt, sprach ich Herrn K. an, bat ihn über diese Sache mit Dr. Nuber zu sprechen und gab ihm einfach die Telefonnummer.Viel mehr haben wir über die OMIRA damals nicht gesprochen. Irgendwie, als habe er bereits darauf gewartet, stand er plötzlich im OMIRA-Sekretariat, und da wusste ich, der Linzgau ist gefallen.
Es waren nicht mehr nur einzelne Orte, die aufbegehrten, es waren nun auch die gestandenen Bauern, für die Treue zu einem Milchwerk auch in schwieriger Zeit noch etwas bedeuteten.
Über 200 Kündigungen sind dann in kürzester Zeit bei der OMIRA eingegangen. Fast ein wenig frech haben wir, mein ehemaliger Kollege Kapferer und ich, diese Kündigungen höchstpersönlich im Milchwerk Radolfzell abgeliefert. Darüber bin ich heute eigentlich nicht mehr so stolz.
Aber nicht alle wollten zur OMIRA. Einige gingen zu Bergpracht, auch aus meinem Heimatort. Sie misstrauten den neuen Gesichtern, sie misstrauten jeder Genossenschaft, und sie wollten einfach keine Beteiligung mehr einbringen. Als diese dann unterschrieben hatten, ruft mich anderntags Herr Geßler, Geschäftsführer der Bergpracht, in aller Frühe an und bittet um Verständnis. Ein kleines Versöhnungszeichen mitten im sogenannten Milchkrieg
Albmilch Rottweil
Auch in Rottweil gab es ein zähes Ringen. Da ruft plötzlich ein Herr H. aus Meßstetten bei mir an mit der Frage, „Hat die OMIRA Interesse an meiner Milch?“. Ohne jeden Zweifel habe ich Ja gesagt, „Selbstverständlich hat die OMIRA Interesse“. Später habe ich erfahren, die OMIRA war gar nicht die erste Adresse. Riedlingen war für Gerold H. zu zögerlich. Aus heutiger Sicht ein Glücksfall für alle, für die OMIRA und Gerold H. gleichermaßen.
Im Süden von Rottweil liegt Tuningen. Plötzlich, es war schon nach 18:00 Uhr, erreicht mich Dr. Nuber in Neuhausen ob Eck über Eurofunk: „In Tuningen sei Unruhe. Gehen Sie zu G.“. Von diesem wurde ich in die nahe Gaststätte geschickt, dort würden einige Bauern zusammenkommen.
Dort kamen aber immer mehr Bauern zusammen, und bald war der Raum zu klein. Kurzerhand haben wir mit dem dort tagenden Gemeinderat die Räume getauscht. Und am Schluss war auch dieser größere Raum mit rund 70 Personen übervoll.
Die größten Kritiker der OMIRA waren natürlich auch anwesend und saßen in der ersten Reihe. Nur der Einladende war noch zu Hause im Stall. Es wurde eine heiße Veranstaltung. Verträge wurden unterschrieben. Weit nach Mitternacht, es war bereits drei Uhr nachts, standen wir noch auf der Hauptstrasse und diskutierten. Die Letzten waren Herr und Frau M. aus Oberflacht. Ihre Unterschrift in dieser Nacht lag ihnen im Nachhinein noch schwer auf dem Magen.
In einer weiteren Versammlung in der alten Stadthalle in Rottweil brachen dann fast alle Dämme. Über 1.000 Bauern strömten in die überfüllte Halle. An den Wänden entlang und selbst um das Rednerpult drängten sich die Besucher. Man konnte kaum mehr die Arme breit machen.
Der aufgestaute Frust machte sich Platz und eine hitzige Diskussion nahm seinen Lauf. Doch am Ende keimte für viele wieder ein wenig Hoffnung auf, Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Die Verwaltung der Albmilch Rottweil e.G. entschied sich dann zwischenzeitlich für die Breisgaumilch. Die dortige Geschäftsführung versuchte alles, um die Kündigungswelle in Richtung Ravensburg zu stoppen.
So mischten sich bei einer Bauernversammlung der OMIRA in Frohnstetten Herr Faller als AR-Vorsitzender der Breisgaumilch und zwei weitere Kollegen hinter einem Pfosten unter die Versammlungsteilnehmer. Der Chef der Breisgau Milch saß derweil im Auto und wartete darauf, dass er in die Versammlung gerufen würde. Er wartete allerdings vergebens. Es dauerte nämlich nicht lange, bis die „ungeladenen Gäste“ erkannt und nachhaltig gebeten wurden, diese Versammlung zu verlassen.
Noch eine Stunde später bewegten sie sich in der Nähe um den Versammlungsort. Bei einem Rundgang traf ich zufällig wieder auf diese Gruppe. Wir diskutierten lange miteinander. Nur schwer ließen sie sich davon überzeugen, dass sie in dieser Versammlung keinen Zugang mehr erreichen konnten.
...... und nach Osten
Neuravensburg
1987 wechselt das Allgäu-Milchwerk zur OMIRA. Zu groß waren die Probleme geworden. Im Käsekeller lagen die Käselaibe bis unter die Decke und waren nahezu unverkäuflich. Die Außenrinden waren mit einem dicken Schimmel überzogen. Die Laibe waren regelrecht verklebt. Die Schimmelfäden zogen sich beim Auseinanderbrechen der einzelnen Laibe über 20 cm in die Länge. Diese Laibe mussten bis zur Übernahme am 1. Januar ausgelagert werden und ich durfte oder musste dieses Spektakel auf einigen Bildern festhalten.
Mit dem Allgäu-Milchwerk wechselte auch die Sennereigenossenschaft Eglofs. Deren Verarbeitungsbetrieb in Eglofs wurde geschlossen.
Auch dort hatten sich rund 20 Betriebe bereits vorher der OMIRA angeschlossen. Eine „Nacht- und Nebelaktion der OMIRA“ sei das gewesen, grollen noch manche.
Die Milcherfassung stand dann schnell im Mittelpunkt. Zu unterschiedlich waren die Bedingungen, unter denen hier erfasst wurde. Es gab hier nahezu keinen Betrieb, der nicht direkt erfasst wurde.
Wir, meine Kollegen Mink und Brunner und ich versuchten uns ein klares Bild zu machen. Wenn schon eine liebgewordene Erfassung nicht zu ändern war, dann mussten diese Betriebe eben einen Tribut liegen lassen. Ein Stoppgeld wurde eingeführt.
Diese Aktionen waren in diesem Gebiet außerordentlich umstritten und wurden heftig diskutiert. Schließlich wurde diese Regelung nach einer empfindlichen Kündigungswelle wieder einkassiert und zurückgenommen.
Österreich - Rheintal und Möggers
Aufbruch in Europa. Neue Länder streben in die EU, so auch Österreich. Mit dem Start wird zunächst vieles anders, nur nicht besser. Die bisher erfolgreichen Vermarktungs- und Handelswege bei der Milch wurden über Nacht gekappt, und die Milcherzeugerpreise brachen über 10 Schilling ein. Es gab nur wenige Alternativen. Konzentration, Veredelung oder der direkte Weg nach Deutschland. Der letztere Weg war unerwünscht, weil es die Politik in Bregenz nicht wollte.
Und trotzdem gab es viele Gespräche über die Grenze hinweg. In Hörbranz, Sulzberg und Langen bis fast hinauf zum Pfändergipfel hatte ich alle Betriebe besucht. In Langen war bereits eine 2-tägige Milcherfassung besprochen. Was bei fast allen anderen Bereichen, wie Müllabfuhr reibungslos funktionierte, durfte bei der Milch nicht sein. Vorarlberger Milch durfte unter keinen Umständen über die Grenze nach Deutschland. Dafür war sich kein Politiker und kein Verbandsfunktionär zu schade, allen voran Landesrat Erich Schwärzler, sowie Verbandsfunktionär Josef Moosbrugger.
Am Schluss setzten sich die Bauern im Rheintal und in Möggers über all diese nahezu unüberwindlichen Hindernisse hinweg. Stellvertretend seien hier Elisabeth M. aus Koblach und Manfred H.aus Möggers genannt. Ohne Ihre Hartnäckigkeit und ohne ihren unbändigen Willen wäre dieser Wechsel nicht erreichbar gewesen.
Am 1. April 2001 passierte der Sammelwagen der OMIRA zum ersten Mal die Deutsch-Österreichische Grenze am Pfändertunnel. Die Erfassung verlief reibungslos und alle Beteiligten waren erleichtert.
9 Monate später war auch Möggers dran.
In der Folge entwickelte sich ein gutes Miteinander aller Betroffenen. Die Zusammenarbeit zwischen der Milchuntersuchungsstelle in Dornbirn, der Landeskammer Bregenz und der OMIRA funktionieren bis heute einwandfrei.
So konnte ich 2010 beim 10 jährigen Jubiläum doch sehr viel Stolz und Freude über diesen schwierigen und schließlich erfolgreichen Weg mit nach Hause nehmen.
gez.: Norbert Wilibald
Ende des 1. Berichtes
Bericht 2 - OMIRA im Milchstreik
Milchlieferstreik
Es war etwa 4:00 Uhr in der Frühe, als das Telefon klingelte. Der Milchstreik hatte begonnen. Lange diskutiert, nun war er da. Gerade im OMIRA-Hof angekommen, tauchten schon im Dunkel die ersten bekannten Gesichter auf. „Muss das sein“, fragte ich in die Runde. „Ja, das muss sein“, kam prompt die Antwort. Die Fronten waren also geklärt. Überall standen die Traktoren und besonders die bekannten Eingänge waren verstellt.
Auch ein Sammelwagen stand am Eingang, es gab kein Vor und kein Zurück. Die Milch war dem Verderb ausgeliefert.
In aller Eile wurden die Sammelfahrzeuge informiert, um ein weiteres zusätzliches Chaos zu vermeiden. Immer mehr streikende Milcherzeuger, auch nichtstreikende, Presse, Polizei und zunehmend auch Schaulustige waren vor der OMIRA versammelt. Vor 7:00 Uhr dann die erste Diskussion. Dr. Wolfgang Nuber stellte sich den Streikenden. Engagiert und mutig wurden die Standpunkte ausgetauscht. Ein kleiner Funke, ein falsches Wort hätte ausgereicht, die Situation eskalieren zu lassen.
Und am Telefon die vielen Hilferufe aus den verschiedensten Familien. Väter konnten sich der Tränen nicht erwehren, ein Milchstreik ihrer Söhne, für sie einfach undenkbar. Und dann waren auch die, die entschieden und unmissverständlich auf die Erfassung, Verwertung und die Bezahlung ihrer Milch pochten.
Das alles war fast nicht zu schaffen. Auf der einen Seite die Sorge um die Existenz ihrer Höfe und ihre gefühlte Ohnmacht und auf der anderen Seite die Sorge und die Verantwortung für Verarbeitung und Erhaltung der schwierigen Märkte. Und doch, gerade in diesen Stunden, wo fast nichts mehr gehen wollte und doch etwas geschehen musste, siegte die Vernunft.
Zwischen beiden Seiten gab es über den ganzen Tag hin ständige Gespräche, bisweilen harte Gespräche. Diese schafften letztlich das erforderliche Vertrauen zueinander und auch ein wenig Verständnis füreinander. In diesem Klima konnten anderntags erst einzelne Sammelwagen wieder auf die Strecke gelassen werden, um eine Grundversorgung zu gewährleisten. Von Stunde zu Stunde wurden es immer mehr, weil der Druck der lieferwilligen Betriebe einfach übermächtig wurde und schwerwiegende Klagen angedroht wurden.
Dieser Spagat konnte nur in einer klaren und harten, aber doch vertrauensvollen Auseinandersetzung gelingen. Dass dies gelungen ist, ist ein Verdienst beider Seiten.
Es ist ein Verdienst des engagierten Geschäftsführers Dr. Wolfgang Nuber, der sich zu jedem Zeitpunkt der Diskussion stellte und auch der Hauptverantwortlichen des Streikteams, den Herren K. und G., die den Gesprächsfaden nicht abreißen ließen.
Als dann am zweiten Streiktag abends die Abschlusskundgebung begann, rollten die ersten vollen Sammelwagen, einer nach dem andern, zur Abtankung in den OMIRA-Hof. Bis 1:00 Uhr nachts waren es sicher 500.000 Liter Milch.
Und all diese Milch war freiwillig geliefert worden. Noch um 20:00 Uhr zeigte sich ein Streikverantwortlicher sichtlich gereizt, als er die neu ankommenden Sammelwagen sah. Ich habe ihm nur eines sagen können, „Das ist die andere Seite der Medaille, das sind die anderen 50 % der Betriebe, die diesen Streik nicht mitgetragen haben und ihre Milch unbedingt abliefern wollten oder vielleicht sogar mussten.“
Diese Auseinandersetzung hat Spuren hinterlassen, aber auch gezeigt, dass es bei aller Härte immer auch einen Weg gibt.
Fortsetzung .......
Anmerkung:
Wie gewonnen, so zerronnen. Dieser Blick von heute macht traurig.
Und trotzdem, ich bin auch heute noch stolz auf diese Entwicklung, die unsere OMIRA in dieser Zeit genommen hatte. Und ich bin stolz, dass ich hierzu sicher einen beträchtlichen Anteil beitragen konnte.
Aber all dieser Erfolg war auch nur möglich, weil hinter dieser Arbeit ein schlagkräftiges Unternehmen stand.
Und das waren gerade unsere Altvorderen, unsere Rentnerkollegen, die an verantwortungsvollen Posten für eine hervorragende Verarbeitung und Vermarktung der Anlieferungsmilch zu besten Produkten und gleichzeitig für eine solide finanzielle Basis des Unternehmens sorgten.
Und dafür dürfen wir alle sehr stolz sein. Dies kann uns keiner mehr nehmen und auch nicht der "neuen Zeit" geopfert werden und vergessen machen.